Optisch berührungsloses Messen von Weg und Geschwindigkeit

S21 läßt sich zum Positiven hin modifizieren,
ohne das Projekt in zeitlichen Verzug zu bringen.

 

Dr. Burghard Korneffel

Quo vadis, S21? Teil 1

Das Projekt S21 geriet mit dem Abriss des Nordflügels Ende August 2010 in die öffentliche Wahrnehmung. Bis dahin hatten es die Protagonisten von S21 geschickt verstanden, das Vorhaben an den Stuttgarter Bürgern vorbei zu manövrieren. Es war das Verdienst des Aktionsbündnisses gegen S21, die öffentliche Diskussion zu entfachen und gleichzeitig die Linie der sachlichen Auseinandersetzung einzuhalten.

Machtvolle Demonstrationen

Die weit über 100.000 Stuttgarter Bürger, welche am 9. Oktober 2010 gegen S21 demonstrierten, trieb die Prügelorgie vom 30.09.2010 auf die Straße. Dazu kam das Entsetzen, den zentralen Teil des Mittleren Schlossgartens für einen schiefen Halb/Tiefbahnhof zu vernichten. Den technischen Inhalt von K21 kannte nur ein kleiner Kreis Interessierter. Etliche der skandierten Parolen waren Schlachtrufe gegen einzelne Politiker, die anscheinend glaubten, demokratisches Handeln bestünde darin, das Volk mit Wasserwerfern statt mit Kartätschen nieder zu halten.

Schlichtung

In der Schlichtung wurden unter der beeindruckenden Leitung von Dr. Geissler die Details von S21 in öffentlichen und live im TV übertragenen Sitzungen erörtert. Die Vertreter des Aktionsbündnisses gegen S21 verhalfen mit technisch brillanten Beiträgen der Schlichtung zu einem hohen Niveau. Leider stellte man als Gegenentwurf nur K21 vor. Die facettenreichen Vorschläge anderer Gruppen wurden ignoriert. Die Medien vereinfachten die gegensätzlichen Auffassungen auf das Klischee von zwei sich unversöhnlich gegenüberstehenden Fangruppen: Bewahrer des 100 Jahre alten Kopfbahnhofs gegen Verfechter der Moderne. Dieses Bild, eine Steilvorlage für Schwarz-Weiß-Berichterstattung, war falsch und ist falsch.

Der Schlichterspruch war zu zaghaft. Es wurden Verbesserungen am geplanten Halb/Tiefbahnhof gefordert. Ob die Bahn AG die Forderungen zu beherzigen gedachte oder nicht, blieb nebulös. Man hätte mit Nachdruck auf das Abstellen der eklatanten Mängel des Projekts S21 dringen müssen, ansonsten kein Weiterbauen. Vielleicht ließ sich Dr. Geissler vom Getöse um Termine und Forderungen nach Schadensersatz beeindrucken.

Dornröschenschlaf

Die Schlichtung endete im November 2010 mit einem der Bahn AG genehmen Ergebnis. Danach tat sich ein ganzes Jahr bis zur Volksabstimmung am 27. November 2011 baulich nichts. Ein Jahr ist viel Zeit. Mit computergestützter Konstruktion, die uns heute zur Verfügung steht, hätte man nicht nur den Bahnhof, sondern weitere Engstellen von S21 neu oder umplanen können. Man ließ das Jahr verstreichen und drängt nun erneut auf die Umsetzung des 16 Jahre alten Projektes, als ob es die Diskussion technischer Mängel bei der Schlichtung nie gegeben hätte.

Zwischen Landtagswahl und Volksabstimmung verengten die Organisatoren des Aktionsbündnisses den Widerstand gegen S21 auf den Erhalt des Kopfbahnhofes. Hatten sie durch ihre Präsenz in den Medien den Boden unter den Füßen verloren? Bemerkten sie nicht, dass viele Bürger zwar S21 ablehnten, aber statt des 100 Jahre alten Kopfbahnhofes etwas Modernes haben wollten? So ging eine mögliche Mehrheit bei der Volksabstimmung flöten.

Volksabstimmung

Am 27. November 2011 entschied die Mehrheit, den Schienenverkehr im Raum Stuttgart neu zu konzipieren und den Bedürfnissen des 21. Jahrhunderts anzupassen. Es gab keine Mehrheit für den Erhalt des Kopfbahnhofs. Eine breite Zustimmung für das Projekt S21 in seiner gegenwärtigen Form sollte man aus dem Ergebnis nicht herauslesen. Die Volksabstimmung hat kein einziges der technischen Probleme von S21 gelöst.

Wir haben Engpässe im Schienennahverkehr. S21 beseitigt diese Engpässe nicht, sondern richtet seinen Fokus auf den Fernverkehr. Eine komplette Fehlleistung ist der geplante Halb/Tiefbahnhof und die damit verbundene Vernichtung eines großen Teils des Mittleren Schlossgartens. Die schief aus der Erde ragende riesige Betonwanne wäre ein Schandfleck für Stuttgart und eine Blamage für deutsche Ingenieurskunst.

Dieses Projekt muss grundlegend verbessert werden! Es geht um den Schienenverkehr der nächsten 100 Jahre! Trotziges Grummeln oder hämisches Warten auf das Nichtfunktionieren einzelner Projektteile, um dann sagen zu können, man habe es schon immer gewusst, bringt nichts. Der Bahn AG ist es egal, was sie hier baut. Sie bekommt dafür die vereinbarten Gelder, und das war's. Wir, die Bürger Stuttgarts, müssen mit dem neuen Verkehrskonzept leben.

Der Kopfbahnhof genügt nicht mehr den Anforderungen der heutigen Verkehrssituation

Der Kopfbahnhof und seine Gleiszuläufe entstanden vor 100 Jahren. Er war eine technische Meisterleistung seiner Zeit und bewältigt den Verkehr auch heute noch gut. Doch in 100 Jahren haben sich Stuttgart und Umgebung gewaltig verändert. Die Stadt platzt aus ihren Nähten. Aus Dörfern wurden Trabantenstädte. Morgens und abends sind die Straßen verstopft. Trotz steigender Benzinpreise, die Masse der Arbeitenden fährt mit dem Auto, weil es keine andere Möglichkeit gibt. Stuttgart braucht dringend mehr Schienennahverkehr.

Ich verstehe jeden, den der Verlust des altehrwürdigen Kopfbahnhofs traurig stimmt. Bei allen Vorteilen, welche dieser Bahnhof hat, sollten wir nicht seine Nachteile verschweigen.

1. Er belegt mit seinen Zulaufgleisen außergewöhnlich viel Fläche. Man hätte schon vor 20 Jahren den Kopfbahnhof aufgeben können. Ein Gleisdreieck Nordbahnhof (KoS21), ein Tunnel unter dem Rosensteinpark und eine Modernisierung des Durchgangsbahnhofs in Bad Cannstatt hätte den gleichen Verkehr wie damals und heute bewältigt und sämtliche heiß diskutierten Flächen für die Stadtentwicklung freigegeben. Das Zentrum Stuttgarts wäre mit S- und U-Bahn im dichten Takt mit dem Bf Bad Cannstatt verbunden gewesen.

2. Der Kopfbahnhof mit seinen Zulaufgleisen gestattet keine Erweiterung des Schienennahverkehrs. Oder anders, für zusätzlichen Nahverkehr müssten zusätzliche Gleise verlegt werden. Doch wo soll man die dafür benötigten Flächen hernehmen?

Der Fernverkehr muss in kürzester Zeit den Großraum Stuttgart durchqueren. Nur dann machen Schnellfahrtrassen zwischen den Städten Sinn. In einem Durchgangsbahnhof lässt sich prinzipiell eine kleinere Abfertigungszeit als in einem Kopfbahnhof erreichen.

Projekt S21

Das Projekt S21 wurde 1995 aufgestellt und sollte dem Schienenverkehr im Großraum Stuttgart neue Perspektiven eröffnen. Wir schreiben das Jahr 2012 und stellen fest, S21 in der vorliegenden Version ist keine Option für die Zukunft. Das Projekt hat etliche Mängel.

Bahnkreuz

Im flächenmäßig kleinen Zentrum Stuttgarts soll ein Bahnkreuz realisiert werden. Ein zentraler Hauptbahnhof, über den wie beim jetzigen Kopfbahnhof sämtliche Züge des Fern-, Regional- und Nahverkehrs geführt werden, aber als Durchgangsbahnhof ausgeführt und mit einer Durchmesserlinie in Nord-Süd-Richtung für den schnellen Fernverkehr aufgewertet.

Zusammenführen des Verkehrs in einem Punkt - Vernunft oder Dogma?

S21 (wie auch K21) krankt an der Vorgabe, den gesamten Fern- und Regionalbahnverkehr in einem Punkt (Bahnkreuz) zusammenzuführen und ihn aus diesem Punkt wieder heraus fließen zu lassen. Der Bahnhof muss viele Bahnsteige haben. Des weiteren werden mehrere Zulaufgleise (K21) oder das Ringtunnelsystem (S21) benötigt. Viele der Fahrgäste, die heute im Hbf umsteigen, bräuchten diesen Bahnhof gar nicht tangieren, um ihr eigentliches Ziel zu erreichen. Das Ringtunnelsystem funktioniert nur mit dem Halb/Tiefbahnhof, darum besteht die Bahn AG auf seinem Bau.

S21 hätte man schon vor einhundert Jahren bauen können. Das Erstellen der Tunnel wäre seinerzeit schwerer gefallen. Aber ansonsten? Schaffnermütze, Signalkelle und eine solide Uhr genügen, um S21 in Betrieb zu halten. Rechner sind hübsch, werden aber für S21 nicht unbedingt benötigt. Innovationen sucht man bei S21 vergeblich.

Hit aus dem 19. Jahrhundert

Das Konzept des Bahnkreuzes stammt aus dem 19. Jahrhundert und hatte seine Berechtigung bis in die dreißiger Jahre des vorigen Jahrhunderts. Das Bahnkreuz favorisiert den Fernverkehr. Der Nahverkehr steht nicht im Fokus. Das Gros der Arbeiter wohnte damals in unmittelbarer Umgebung der Fabriken. Doch dann änderten elektrisch betriebene S- und U-Bahn und vor allem das Automobil den Verkehr grundsätzlich. Der Bürger sieht in der Mobilität einen Fortschritt, den er nicht mehr missen möchte. Man wohnt entfernt vom Industriezentrum in schönem Ambiente. Der heutige Arbeitsmarkt fordert Flexibilität. Nah-und Regionalverkehr müssen unkompliziert präsent sein.

Nahverkehr hat bei S21 das Nachsehen

Vor 100 Jahren ließ man sich, so man eine Reise unternehmen wollte, zum Bahnhof kutschieren, betrat ehrfürchtig das imposante Gebäude und und vertraute sich den majestätisch dahingleitenden stählernen Karossen an. Heute schaut man, ob in der Nähe des Wohnsitzes oder der Arbeitsstelle irgendein Bahnhof ist, wo nach kurzem Warten ein Gefährt kommt. Wenn nicht, lässt man sich in sein Auto fallen.

Mobilität mit weniger Auto erreicht man nicht mit Strafsteuern oder Zwangsabgaben, sondern nur mit einem bedarfsgerechten und vor allem bequemen öffentlichen Nah- und Regionalverkehr. Bei S21 hat dieser Verkehr das Nachsehen. Das ist das größte Manko dieses Projekts.

Sämtliche Züge fahren bei S21 durch den Hauptbahnhof und passieren Teile des Ringtunnels. Der Bahnhof wäre bei 8 Gleisen mit dem heutigen Verkehrsaufkommen an seiner Kapazitätsgrenze angelangt. Mögliche Steigerungen der Verkehrsleistungen in der Zukunft dürfte dieser Bahnhof nicht mehr bewältigen. Das Ringtunnelsystem hat eine begrenzte Durchlasskapazität. Neue Nahverkehrslinien, die der Großraum Stuttgart dringend braucht, lassen sich mit diesem Konzept nicht realisieren.

Sämtliche S-Bahn-Linien Stuttgarts führten weiterhin durch den Innenstadttunnel. Dieser hat seine Kapazitätsgrenze erreicht. Zusätzliche S-Bahnlinien oder eine Verdichtung des Taktes während des Berufsverkehrs sind nicht möglich.

Bahnhof - eben, hoch oder tief?

Dr. Geisslers Bemerkung, man könne den Bahnhof nur über der Erde oder als Tiefbahnhof bauen,  war falsch. Bei S21 ist ein Halb/Tiefbahnhof geplant, also ein Mittelding. Und es gibt noch den Hochbahnhof als dritte Kategorie. Doch kommen wir zum eigentlichen Kern.

1. Die Grundkonstruktion des Bahnhofs wird durch das konzipierte Schienennetz bestimmt.

2. Der Bahnhof muss den zu erwartenden Verkehr bewältigen.

3. Der Bahnhof muss sich auf dem vorhandenen Baugrund realisieren lassen.

Der Kopfbahnhof weicht einem Durchgangsbahnhof

Die Entscheidung ist zu Gunsten eines Durchgangsbahnhof gefallen. Ein solcher kann ebenerdig, als Hochbahnhof oder als Tiefbahnhof realisiert werden. Ein Tiefbahnhof, der Häuser, Parks und bestehende S- und U-Bahnröhren in sicherem Abstand unterfährt, so dass man ebenerdig die Tunnelröhren gar nicht wahrnimmt, wäre eine gute Lösung. Doch im Baugrund des Stuttgarter Zentrums ist das nicht realisierbar!

Halb/Tiefbahnhof - eine merkwürdige Konstruktion

Die Gleise des tiefergelegten Bahnhofs sollen mit einer Längsneigung von 15 Promille verlegt werden. Ein Wert, der vor S21 für Fernbahnhöfe nicht genehmigt war, und ein nicht zu unterschätzendes Gefahrenpotential erzeugt. Eine schief bis zu 9 m aus der Erde herausragende riesige Betonwanne im Design eines Hügelgrabs prägte das äußere Erscheinungsbild.

Auf Bildchen sieht man Spaziergänger, die den Kamm des Hügels erklimmen. Wirklich? Der Architekt erwähnte, wegen des weiten Abstandes der Stützpfeiler war die Wölbung des Daches groß zu wählen, um ein Einstürzen zu verhindern. Zur zulässigen Dachlast gibt es keine Angaben. Ein Betreten des Dachs wird wahrscheinlich verboten sein. Statt dünner Grasdecke ein grüner Anstrich, und die Werbebildchen sind der gleiche Schmarren wie die aus dem Bahnhofsinneren, welche uns weiße Bahnsteige, weiße Gleisbetten und weiße Schienen zeigen.

Für den Halb/Tiefbahnhof würde ein großer Teil des Mittleren Schlossgartens, eine Perle Stuttgarts, für immer vernichtet. Der Mittlere Schlossgarten ist eine Oase mitten im Zentrum Stuttgarts, einzigartig für eine Großstadt.

Der Halb/Tiefbahnhof ist eine Fehlkonstruktion. Er ist durch eine Neukonstruktion zu ersetzen!

Mit einem Gleisdreieck "Nordbahnhof" lässt sich der Verkehr im Hauptbahnhof kräftig reduzieren. Die miteinander vernetzten Bf Bad Cannstatt, Hauptbahnhof und Bf Flughafen bilden gemeinsam einen virtuellen Bahnhof mit einer Transportkapazität, welche sowohl den Halb/Tiefbahnhof als auch den Kopfbahnhof bei weitem übersteigt (KoS21). Es lassen sich zahlreiche neue Linien im schienengebundenen Nahverkehr realisieren, die nicht durch den Innenstadttunnel der S-Bahn geführt werden (Schienennetz_KoS21).

Bei einem Verzicht auf das Ringtunnelsystem entfällt der Zwang zu einem Tiefbahnhof. So könnte man einen Hochbahnhof bauen. Er würde architektonischen Glanz in das Stuttgarter Zentrum bringen. Ein Hochbahnhof vereinigt die Vorzüge eines ebenerdigen Bahnhofs, nämlich Licht, Luft, keine Enge durch Tunnelwände und Blick in die Umgebung mit der optimalen Ausnutzung der Grundstücksfläche. Schalterhalle, Betriebsräume, Restaurants, Reisebüros oder Geschäfte liegen unter der Gleisfläche im Erdgeschoss. Die Gleisfläche kann von allen Seiten ebenerdig unterquert oder unterfahren werden. Der neue Hauptbahnhof von Berlin ist ein Hochbahnhof (2006 in Betrieb genommen).

S21 enthält gute Ideen

In S21 findet man, sieht man vom missglückten Halb/Tiefbahnhof ab, viele gute Ideen, die von sehr guten Ingenieuren entwickelt wurden. Der Wegfall des Kopfbahnhofes und seiner Zulaufstrecken schafft Platz für die Stadtentwicklung. Die Heimerl-Trasse ist ist vom Grundsatz her optimal. Die Anbindung des Flughafens ist verkehrspolitisch ein Gebot der Vernunft. Die Nord-Süd-Durchmesserlinie und ein Durchgangsbahnhof erhöhen die Reisegeschwindigkeit auf der Magistrale.

Den größten Zeitgewinn für den Fernverkehr auf der Magistrale erbrächte eine Verbindung des neuen Flughafenbahnhofs mit der von Mannheim kommenden ICE-Trasse über eine Neubaustrecke, die das Zentrum Stuttgarts weiträumig umfährt. Zusätzlich wäre die energetische Bilanz günstig, da die Hinabfahrt ins Stuttgarter Zentrum mit Stopp im Bahnhof und der anschließende Aufstieg auf die Fildern erspart bliebe.

Doch die bei S21 geplante Nord-Süd-Tunnelstrecke hat auch ihre verkehrstechnischen Vorteile. Das Zentrum ist direkt an den Fernverkehr angeschlossen, und es eröffnen sich Perspektiven für zusätzlichen Nahverkehr. Die Energiebilanz ist für jene Züge günstig, die beim Bremsen während der Talfahrt das elektrische Versorgungsnetz als Last nutzen (Rückeinspeisung der Bremsenergie).

Man könnte es so formulieren: Die guten Teilvorschläge sind im vorliegenden Projekt S21 falsch zusammengesetzt. Fügen wir sie richtig zusammen, erhalten wir ein zukunftsfähiges Konzept.

Es müssen keine Bäume im Mittleren Schlossgarten gefällt werden

Es wird behauptet, ohne Vernichtung eines großen Teils des Mittleren Schlossgartens sei S21 nicht zu realisieren. Das ist falsch! S21 als Projekt zur Neukonzipierung des Schienenverkehrs im Großraum Stuttgart kann sehr wohl ohne diesen ominösen Halb/Tiefbahnhof realisiert werden (KoS21). Der Durchgangsbahnhof könnte oberirdisch, zum Beispiel als Hochbahnhof, oder an einer geeigneten anderen Stelle als echter Tiefbahnhof gebaut werden.

Die Bahn AG, die Medien und einige Politiker werden nicht müde, den Unfug vom alternativlosen Halb/Tiefbahnhof uns immer und immer wieder zu erzählen. Jeden Tag, an jedem Ort. Dem bequemen Bürger ist eigenes Denken zu anstrengend. Er dünkt sich fortschrittsoffen, wenn er auf den Hype "Schwarmintelligenz" aufspringt. Er zählt die bejahenden und die ablehnenden Meinungen zusammen und übernimmt die Position der arithmetischen Mehrheit. Er sieht nicht, dass ihm dieser Schwarm von wenigen, die Zugang zu den Medien und das Sagen bei ihren Parteimitgliedern haben, vorgegaukelt wird.

Position der Bahn AG

Man kann nur spekulieren, warum die Bahn AG von der Fehlkonstruktion Halb/Tiefbahnhof nicht abrücken will:

1. S21 versucht, das Uralt-Konzept eines Bahnkreuzes im Untergrund des flächenmäßig kleinen Stuttgarter Zentrums zu realisieren. Ein zentraler Hauptbahnhof, über den wie beim jetzigen Kopfbahnhof sämtliche Züge des Fern-, Regional- und Nahverkehrs geführt werden, aber als Durchgangsbahnhof ausgeführt und mit einer Durchmesserlinie in Nord-Süd-Richtung für den schnellen Fernverkehr aufgewertet. Das Ringtunnelsystem ist der Kern dieses Bahnkreuzes und braucht zu seiner Funktion einen ausreichend tief gelegten Bahnhof an genau dieser Stelle im Mittleren Schlossgarten.

2. Es ist einfach, mit einem (ur)alt bewährtem Konzept ein neues Projekt zu entwickeln. Man stellt hohe Rechnungen aus, und die Boni sind gesichert. Jedes Abweichen vom ausgetrampelten Pfad bedeutete zusätzliche Arbeit und könnte den Gewinn schmälern.

3. Hat der einstige Berater von Herrn Mappus beim Management der Bahn AG eine neue Anstellung gefunden? Ihm wird der Spruch nachgesagt, um der Glaubwürdigkeit willen niemals von einem einmal gefassten Beschluss abzuweichen. Wer das befolgt, offenbart meiner Meinung nach seine persönliche Unfähigkeit. Es ist ein Zeichen wahrer Größe, einen Beschluss zu revidieren, wenn man erkennt, dass er falsch war. Die einfachen Menschen, als Volk bezeichnet, verehren solche Persönlichkeiten. Sie vertrauen ihnen, dass sie den jeweils optimalen Weg gehen.

Wissenschaft und Technik entwickeln sich im ständigen Streit der Ideen. Wer das negiert, fällt zurück. Wer auf den Mechanismen der guten alten Zeit beharrt und alles Neue verwirft, wird von der Entwicklung beiseite geschoben.

Wer weckt den Widerstand gegen S21 aus seinen Träumen?

Der Südflügel ist eingezäunt und wird bald abgerissen. Der Widerstand beschwört den Erhalt des Kopfbahnhofs. Die Bahn AG wird demnächst die Bäume im Mittleren Schlossgarten fällen. Tausende Polizisten werden die Demonstranten zurückdrängen. Der Widerstand beschwört auch danach den Erhalt des Kopfbahnhofs. Eine riesige Baugrube wird den Mittleren Schlossgarten zerstören. Der Widerstand beschwört weiterhin den Erhalt des Kopfbahnhofs.

Es läuft alles nach den Plänen der Bahn AG. Sie hat mit einem der Realität entrücktem Widerstand ein leichtes Spiel. Wer eine Niederlage nicht wahrhaben will, die Tatsachen verleugnet und sich an Illusionen labt, ist unfähig, einen Sieg zu erringen. Die Bahn AG kann das vorliegende und mit etlichen Mängeln behaftete Projekt S21 durchziehen, als ob es eine Schlichtung nie gegeben hätte. Hier die Vertreter der Moderne, und da die Bewahrer des 100 Jahre alten Kopfbahnhofs. Da sind die Mehrheiten in der Bevölkerung klar. Nur ein kleiner Teil interessierter Bürger kennt sich in der komplexen technischen Materie aus.

Ich hörte etwas von kritischer Begleitung des Projektes. Nein! Die Bahn AG hat die bekannten Mängel von S21 sofort zu beseitigen. Die mit Patina belegte Ausführungsform von 1995 verdient das Label S21 nicht. Der Mittlere Schlossgarten in seiner ganzen Pracht und Schönheit wird nicht angetastet! Danach begleiten wir kritisch.

Ideen zur Verbesserung von S21 müssen auf den Tisch. Ich habe versucht, meinen Beitrag mit KoS21 zu liefern. Wo sind weitere Vorschläge? Her damit! Mit verklärtem Blick Oden an den Kopfbahnhof singen bringt nichts. Die bessere Strategie ist, der Bahn auf den Pelz zu rücken und ihr klarmachen, dass wir für unser Stuttgart ein optimales und modernes S21 haben wollen und kein mit der Kneifzange konstruiertes Projekt! Druck auf die Bahn AG kann man mit Tausenden Demonstranten ausüben, die etwas fordern, was sich realisieren lässt und die Zustimmung der Mehrheit der Stuttgarter Bürger findet, nämlich die sofortige Abstellung der eklatanten Mängel von S21!

Seit dem 15. Februar Zerstörung des Mittleren Schlossgartens

Der Mittlere Schlossgarten wird seit dem 15. Februar 2012 gerodet. Das Kleinod im Zentrum Stuttgarts wird brachial vernichtet. Tausende Polizisten sichern die Zerstörung.

Es wird in Stuttgart auf absehbare Zeit keinen Frieden geben. Sind die Verantwortlichen so naiv, die momentane Schockstarre der Bürger nach dem Abholzen des Mittleren Schlossgartens als Ergebenheitsadresse zu deuten? Meint man, mit der Demonstration der Macht die aufmüpfigen Bürger disziplinieren zu können? Das Vertrauen in die Demokratie, welches Dr. Geißler in der von ihm geleiteten Schlichtung mühsam gewonnen hatte, wurde unter dem Hohngelächter gewisser Strategen in die Tonne getreten. Glaubt man, die Stuttgarter Bewegung für bürgernahe Demokratie nach dem Vorbild der USA oder der Schweiz sei nun durch harte Hand zerschlagen?

Das Ergebnis der Volksabstimmung vom 27.11.2011 zeigt eine Spaltung der Stuttgarter Bürgerschaft in zwei fast gleichgroße Teile (47% Gegner zu 53% Befürwortern). Wollen einige die Spaltung Stadt und der Umgebung aufrechterhalten, um diverse politische Süppchen kochen zu können?

Die Faktenschlichtung verglich S21 mit K21. Der Schlichter empfahl den Bau eines S21 plus. Die Volksabstimmung am 27.11.2011 ergab eine Mehrheit, nicht aus der Finanzierung von S21 auszusteigen. Das wurde als Entscheid gewertet, den Kopfbahnhof mit seinen Gleiszuläufen aufzugeben und einen Durchgangsbahnhof zu bauen. Der Vorschlag K21, in den engagierte Bürger viel Arbeit und technisches Know How gesteckt hatten, ist somit ausgeschieden. K21 ist ein beachtenswerter und handwerklich sehr gut ausgeführter Vorschlag. Doch das Bessere ist der Feind des Guten. Im speziellen Fall hat S21 das Rennen gemacht. Die Bahn AG müsste nunmehr versuchen, auch die ursprünglichen Gegner von S21 mitzunehmen. Man könnte mit einem Feuerwerk innovativer Ideen zur Verbesserung des 17 Jahre alten Projekts die skeptischen Bürger überzeugen. Auf alle Fälle müssten die heute schon bekannten eklatanten Mängel von S21 beseitigt werden (siehe Anhang).

Doch die Bahn AG glaubt, nach der Volksabstimmung in Stuttgart schalten und walten zu können, wie es ihr beliebt. Sie pfeift auf den Schlichterspruch und will stur das 17 Jahre alte Projekt mit allen seinen Mängeln durchziehen. Der Mittlere Schlossgarten wird geschleift. Zu diesem einzigartigen Park haben die Manager der Bahn AG keine Beziehung. Sie wohnen weit weg in eigenem Grün.

Die Bahn AG setzt das "Baurecht" hinter einem Schutzwall aus tausenden Polizisten durch. Das Gros der Gegner sind potentielle Kunden der Bahn AG. Die Besitzer PS-starker Limousinen kaufen keine Fahrkarten. Ich habe noch nie gehört, dass ein Unternehmen Kunden gewinnt, in dem es mit der Polizei gegen sie vorgeht.

Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg!

S21 lässt sich zum Positiven hin modifizieren, siehe KoS21. Der Fernverkehr büßt keine einzige Sekunde an Fahrzeit ein. Im Nahverkehr werden zahlreiche neue Verbindungen geschaffen. Den Mittleren Schlossgarten hätte man in seiner ganzen Pracht und Schönheit erhalten können.

Der Vorschlag KoS21 muss nicht der Weisheit letzter Schluss sein. Doch er zeigt, entscheidende Verbesserungen sind auch zum heutigen Zeitpunkt möglich, ohne das Gesamtprojekt zeitlich in Verzug zu bringen. Wenn das mit einem anderen Vorschlag besser gelingt, her damit!

 

Anhang

Mängel von S21

  1. S21 krankt an der Vorgabe, den gesamten Fern- und Regionalbahnverkehr in einem Punkt zusammen zu führen und ihn aus diesem Punkt wieder heraus fließen zu lassen. Dazu bedarf es eines großen Bahnhofs mit vielen Gleisen und des Ringtunnelsystem. Letzteres funktioniert nur mit dem Halb/Tiefbahnhof, darum besteht die Bahn AG auf seinem Bau. Viele der Fahrgäste, die heute im Hbf umsteigen, bräuchten diesen Bahnhof gar nicht tangieren, um ihr eigentliches Ziel zu erreichen.
  2. Der Bahnhof ist bei 8 Gleisen mit dem heutigen Verkehrsaufkommen an der Grenze seiner Kapazität angelangt. Mögliche Steigerungen der Verkehrsleistungen in der Zukunft dürfte dieser Bahnhof nicht mehr bewältigen. Das Ringtunnelsystem hat eine begrenzte Durchlasskapazität. Neue Nahverkehrslinien, die der Großraum Stuttgart dringend braucht, lassen sich mit S21 nicht realisieren.
  3. Sämtliche S-Bahn-Linien Stuttgarts fahren durch den Innenstadttunnel. Dieser hat die Grenze seiner Kapazität erreicht. Zusätzliche S-Bahnlinien oder eine Verdichtung des Taktes während des Berufsverkehrs sind nicht möglich.
  4. Eine Fehlleistung ist der geplante Halb/Tiefbahnhof und die damit verbundene Vernichtung eines großen Teils des Mittleren Schlossgartens. Die schief aus der Erde ragende riesige Betonwanne wäre ein Schandfleck für Stuttgart und eine Blamage für deutsche Ingenieurskunst.
  5. Die Gleise des Halb/Tiefbahnhofs sollen mit einer Längsneigung von 15 Promille verlegt werden. Ein Wert, der vor S21 für Fernbahnhöfe nicht genehmigt war, und ein nicht zu unterschätzendes Gefahrenpotential erzeugt.
  6. Zwei U-Bahnlinien müssen verlegt werden.
  7. Die Fläche vor der LBBW lässt sich nur eingeschränkt nutzen, da darunter Gleise liegen.
  8. Die gesamte vom Halb/Tiefbahnhof belegte Fläche lässt sich weder überbauen noch anderweitig nutzen.
  9. S21 ist erst nach kompletter Fertigstellung nutzbar. Bis dahin gibt es nur Provisorien.
  10. Bei S21 ist der Durchgangsverkehr in Nord-Süd-Richtung sehr störanfällig. Wenn im Nordtunnel, im Tiefbahnhof oder im Südtunnel ein Störfall eintritt, ist der Durchgangsverkehr auf der Nord-Süd-Achse und auf der Ost-West-Achse unterbrochen. Das Bahnkreuz Stuttgart fiele komplett aus, und Stuttgart müsste von der Bahn großräumig umfahren werden.
  11. Am Flughafen gibt es zwei getrennte DB-Bahnhöfe. Viele Züge fahren auf dem Hauptgleis durch, und nur wenige werden über eine eingleisige Strecke ausgefädelt und halten am Flugplatz. Von einer bedarfsgerechten Anbindung des Flughafens an den Schienenverkehr kann da nicht mehr gesprochen werden.

 

© Dr. Burghard Korneffel

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31. Dezember 2011 (update 17.02.2012)

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